
Gelungenes Neujahrstreffen für Engagierte aus der Selbsthilfe
Das Selbsthilfebüro KORN e. V. (KOordinationsstelle Regionales Netzwerk) lud am 4. Februar 2023 gemeinsam mit dem Alb-Donau-Kreis zum Neujahrstreffen für Selbsthilfeaktive ein. Die Fachveranstaltung für Menschen aus Selbsthilfegruppen fand im Landratsamt des Alb-Donau-Kreises statt. Rund vierzig Menschen aus vielfältigen Selbsthilfegruppen folgten der Einladung.
Eröffnung und Begrüßung
Christine Lübbers, Geschäftsführerin des Selbsthilfebüros KORN e.V. (Foto links), eröffnete als Moderatorin die Veranstaltung und begrüßte alle Anwesenden recht herzlich. Sie dankte dem Landratsamt für die langjährige und zuverlässige Förderung und Unterstützung der regionalen Selbsthilfearbeit.
Als Vertreterin des Landratsamtes Alb-Donau-Kreis begrüßte Sabine Böckeler vom Pflegestützpunkt (Foto rechts) die Anwesenden offiziell und überbrachte Grußworte von Landrat Heiner Scheffold und des Dezernenten für Jugend und Soziales Josef Barabeisch. Mit der Rede wurde das Engagement der Gruppenmitglieder gewürdigt und allen weiterhin viel Kraft und Zuversicht für die ehrenamtliche Arbeit gewünscht.
Impulsvortrag
Wertvolle Anregungen zum Thema Selbstfürsorge bot der Impulsvortrag von Dr. Klaus Hönig, stellvertretender Vorsitzender des Selbsthilfebüro KORN, Leiter der Konsiliar- und Liaisonpsychosomatik des Universitätsklinikums Ulm sowie Leiter der Krebsberatungsstelle. Er machte deutlich, wie wichtig Selbstfürsorge insbesondere im Ehrenamt ist, um nicht in die Überforderung zu gelangen. Menschen würden dazu neigen, im Einsatz der eigenen Stärken persönliche Grenzen zu überschreiten.
Foto: Dr. Klaus Hönig referiert über Selbstfürsorge
Dies lasse sich auf evolutionsgeschichtliche Mechanismen des Belohnungssystems zurückführen. Unser Belohnungssystem kenne keine Grenzen, es sei so konzipiert, dass uns die Aussicht auf Belohnung dazu antreibe, immer mehr davon zu finden, was uns belohnt. Wenn jemand im Ehrenamt gelernt hat, dass es sich gut anfühlt, für andere da zu sein, könne dies dazu führen, die eigenen zeitlichen und psychischen Grenzen zu übergehen. Um dem gegenzusteuern und um gut mit den eigenen Kräften hauszuhalten, seien Achtsamkeit und das bewusste Setzen von Grenzen sehr wichtig. Sich bewusst zu fragen, was wichtig ist, was man sich zumuten kann und wann es besser ist, Verantwortung abzugeben und keine weiteren Zusatzaufgaben zu übernehmen. Hilfreich kann hier die folgende Frage an sich selbst sein: „Übe ich die Tätigkeit/das Ehrenamt aktuell in einem Maß aus, dass ich auch noch morgen und übermorgen beibehalten möchte und kann?“
Als Achtsamkeitsübung schlug Dr. Hönig vor, bei alltäglichen Dingen wie Zähneputzen, Abspülen oder Kochen ganz im Moment zu bleiben und die eigenen Tätigkeiten ganz bewusst auszuführen, ohne gedanklich abzuschweifen. Achtsamkeitsübungen könnten auch bei den Gruppentreffen gemeinsam durchgeführt werden und so nicht nur den Einzelnen, sondern auch die Gemeinschaft stärken. Die Kunst liege auch darin zu erkennen, wann bestimmte Aktivitäten nicht zielführend sind und sich von solchen Verhaltensmustern zu verabschieden. Zu Selbstfürsorge zählen ebenso Mitgefühl und Dankbarkeit, so Dr. Hönig. Wer mit sich selbst nachsichtig ist und das, was er hat, wertschätzt, tut sich selbst Gutes. Und um gut für andere da sein zu können, sei es essenziell, gut für sich selbst zu sorgen.
Frühstücksbuffet
Während des Vortrages stärkten sich die Teilnehmenden an einem bunten und köstlichen Frühstücksbuffet, welches von den Landfrauen des Alb-Donau-Kreises zubereitet wurde.
Fotos: Buntes Frühstücksbuffet der Landfrauen Alb-Donau-Kreis
Aktivierungsübung
Bei der anschließenden Aktivierungsübung hatten die Teilnehmenden in Kleingruppen Gelegenheit sich kennenzulernen und einen Einblick in das ehrenamtliche Engagement der anderen zu bekommen. Olivia Schmid führte in die Übung ein, deren Fragestellungen jede*r Teilnehmende auf einer Karte nachlesen konnte.
Thementische nach der „World Café Methode“
Daraufhin führte Lydia Ringshandl in die Arbeitsweise an den Thementischen ein. Dort kamen die Teilnehmenden in lockerer Atmosphäre miteinander ins Gespräch und teilten ihren reichen wie vielfältigen Erfahrungsschatz im Bereich der Selbsthilfe. Insgesamt konnte jede/r drei der fünf Thementische besuchen. Jeder Thementisch war mit bis zu acht Teilnehmenden besetzt. Die Ergebnisse wurden anschließend im Plenum vorgestellt.
Ergebnisse der Thementische
Thementisch 1
„Warum engagiere ich mich in einer Selbsthilfegruppe?“ war Thema des 1. Thementisches. Folgende, vielfältige Gründe wurden genannt: aufgrund der eigenen Betroffenheit, um Informationen und Austausch zu erhalten, für die eigene Selbstfürsorge, um „zu geben und zugleich zu nehmen“, um soziale Kontakte zu pflegen, für das Gefühl gebraucht zu werden und etwas Nützliches zu tun, um Verständnis zu erfahren, um den Selbstwert zu stärken und um Teil einer Interessensgemeinschaft zu sein.
Thementisch 2
Unter der Fragestellung „Wie sollte ein Treffen ablaufen, damit ich mich wohlfühle?“ fanden sich die Selbsthilfe-Aktiven zum Austausch an Tisch 2 zusammen. Eine erste Anregung lautete: Pünktlichkeit. Alle Teilnehmenden stimmten darin überein, dass permanentes Kommen und Gehen zu großer Unruhe führe und der Atmosphäre nicht zuträglich sei. Diese sollte angenehm und einladend sein. So solle der Raum gemütlich und hell wirken, über eine gute Akustik verfügen, sowie eine behindertengerechte Toilette bieten. Auch eine gute Erreichbarkeit mit dem Öffentlichen Nahverkehr sei wichtig. Zum „Wohlfühlfaktor“ trage zudem bei, wenn es bereits einen festen Gruppenkern gebe („Gruppenseele“) und die Gruppenleitung sowohl auf Zeitmanagement als auch auf Priorisierung achte. Aufgrund ihrer Verantwortung sei es durchaus denkbar, die Leitung auf mehrere Personen zu verteilen. Schließlich sei sie nicht nur verantwortlich für die Vorstellungsrunde und das Sammeln von Themen, sondern auch dafür, alle Charaktere und Typen gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen. Nur so könne genug Zeit für persönliche Anliegen, ebenso wie für das Zuhören geschaffen werden. Die Teilnehmenden betonten, dass ihnen Wertschätzung, Offenheit, Toleranz, Respekt und Gesprächsdisziplin im Umgang sehr wichtig seien. Außerdem sollten alle Gefühle erlaubt sein. Die Meinungen bzgl. der Gruppengröße gingen auseinander, mal sei eine kleine Gruppe hilfreich, mal eine große. In jedem Fall sollten Treffen nicht zu spät stattfinden (als Richtwert wurde 17 Uhr genannt) und so denn darüber hinaus für das leibliche Wohl gesorgt werde, sei dies durchaus von Vorteil.
Thementisch 3
Die Teilnehmenden von Tisch 3 sammelten Anregungen für die Gestaltung der Gruppentreffen. Deutlich wurde die große Vielfalt an möglichen Arbeitsweisen, die jede Gruppe für sich entscheiden kann. Genannt wurden folgende Ideen: Referent*innen für Vorträge einladen, gemeinsames Essen, Spieleabende, Ausflüge, öffentlichkeitswirksame Aktivitäten planen, Einzelgespräche mit neuen Teilnehmenden führen oder Patenschaften organisieren und die Zahl der Teilnehmenden begrenzen (bei zu vielen komme nicht jede*r ausreichend zu Wort). Bewährt haben sich außerdem verbindliche Gruppenregeln, darunter insbesondere das Thema Vertraulichkeit und Datenschutz. Unterschiedliche Vorstellungen gab es bei der Rolle der Leitungsperson. Grundsätzlich seien in der ehrenamtlichen Selbsthilfearbeit alle gleichberechtigt (flache Hierarchie), manche Gruppen bevorzugen jedoch eine*n feste*n Moderator*in für die Gruppentreffen. Die Funktion des/der Moderator*in kann auch bei jedem Treffen variieren.
Thementisch 4
Bei den Gruppentreffen gibt es zahlreiche Herausforderungen, die die 4. Tischgruppe zusammentrug. Beim Austausch sollten möglichst alle zu Wort kommen, die Gruppenregeln einhalten und beim Austausch bei sich selbst bleiben, ohne andere zu beratschlagen. Dies zu beachten, sollte insbesondere Aufgabe der Moderatorin/des Moderators sein. Eine Herausforderung ist es auch, den unterschiedlichen Erwartungen gerecht zu werden. Insbesondere neue Teilnehmende benötigen mehr Zeit und Aufmerksamkeit, um gut integriert zu werden. Verstärkt würde ein gewisses „Konsumverhalten“ beobachtet, das heißt, viele würden nur Infos abgreifen, ohne sich einzubringen zu wollen und mit der Erwartungshaltung teilnehmen, dass die Gruppe Tipps zur Lösung der eigenen Probleme habe. Hierbei sei es wichtig, zu erläutern, dass Selbsthilfe kein Dienstleister, sondern ein Ehrenamt sei. An Grenzen stößt Selbsthilfe bei schweren Belastungen und Krisen, die die Gruppe nicht auffangen kann. Hier ist es wichtig, deutlich zu machen, dass Selbsthilfe nur eine Ergänzung zu einer medizinischen/therapeutischen Behandlung ist.
Thementisch 5
Tisch 5 ging der Frage nach, wie neue Gruppenmitglieder gewonnen und gehalten werden können. Dafür sei die öffentliche Präsenz grundlegend wichtig, waren sich die Selbsthilfeaktiven einig. Basis für die Öffentlichkeitsarbeit sei ein ansprechendes Faltblatt, das z.B. in Praxen oder Beratungsstellen ausgelegt werden kann. Ergänzend empfiehlt es sich, das persönliche Gespräch zu suchen, um sich und die Selbsthilfegruppe vorzustellen. Darüber hinaus können auch Infostände, Präsenz in den sozialen Medien sowie die Zusammenarbeit mit der Presse oder Regio TV Teil der Öffentlichkeitsarbeit sein. Manche Gruppen erstellen Terminübersichten, die der Presse zugesandt werden oder laden die Presse zu Veranstaltungen ein. Um Teilnehmende zu halten, sei es wichtig, deren Bedürfnisse zu kennen und die Gruppenaktivitäten möglichst danach auszurichten. Dafür müsse die Gruppe den Kontakt halten und regelmäßig nachfragen, wie es allen geht und welche Aktivitäten gewünscht sind. Neben üblichen Gesprächsrunden können gesellige Aktivitäten die Gemeinschaft stärken. Werden die Gruppenmitglieder auch in organisatorische Belange einbezogen, kann das die Gemeinschaft und das Gefühl „selbst etwas mitgestalten zu können“ stärken. Als Fazit wurde außerdem deutlich, dass die Gruppen sehr unterschiedlich arbeiten und somit auch unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Präsentation der Thementisch-Ergebnisse im Plenum
Foto: Lydia Ringshandl stellt die Ergebnisse von Thementisch 5 vor.
Der Austausch und die Vernetzung an den Thementischen war der beliebteste Programmpunkt der Teilnehmenden, wie die Auswertung der Rückmeldekarten ergab.
Selbstfürsorge-Baum
Am Selbstfürsorge-Baum hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, Tipps für die Selbstfürsorge mit anderen zu teilen. Hierfür hatte das KORN-Team im Vorfeld einen überdimensionalen Baum auf Flipchartpapier gemalt und post-its an alle Teilnehmenden verteilt. Auf diesen post-its in Blatt- bzw. Apfelform konnten sie anschließend ihre Gedanken notieren und diese dann an den Baum kleben. Die Bandbreite reichte von Handlungsempfehlungen, wie ein heißes Bad zu nehmen, im Wald spazieren zu gehen, zu meditieren, Sport zu machen, den Hund zu streicheln oder ein leckeres Essen zu genießen bis hin zu Verhaltensänderungen, wie nicht alles selbst zu machen, sich auf die eigenen Bedürfnisse zu besinnen, ohne schlechtes Gewissen Nein zu sagen oder auch allem etwas Positives abzugewinnen.
Die Selbsthilfearbeit wertzuschätzen, hilfreiche Impulse für die eigene Selbstfürsorge mitzugeben und die Vernetzung der Menschen aus der Selbsthilfe untereinander waren Ziel der Veranstaltung. Dies ist dem Organisationsteam rundum gelungen, wie die zahlreichen positiven Rückmeldungen wie auch die schriftliche Auswertung der Rückmeldekarten ergaben.
Das Team blickt freudig auf eine rundum gelungene Veranstaltung zurück.
Foto: von links nach rechts: Sabine Böckeler, Lena Scholz, Lydia Ringshandl, Olivia Schmid und Christine Lübbers, nicht im Bild: Alicia Renz und Ursula Schmid-Berghammer